Ravensburg, ehemalige Bauhütte

Das Gebäude des ehemaligen städtischen Bauhofes im Nordosten der Ravensburger Altstadt entstand in seinem heutigen Zustand in den 1730er Jahren. Der Gebäudekomplex lehnt an die spätmittelalterliche Stadtmauer und verbindet das Frauentor mit dem Grünen Turm. Der Bauhof hat seit seiner Errichtung zahlreiche Umbauten und Umnutzungen erfahren. Im Zuge der seit 2021 laufenden Sanierung zur künftigen Nutzung als städtische Musikschule waren im größtenteils nicht unterkellerten Gebäude flächige Bodeneingriffe notwendig, die eine archäologische Begleitung erforderten. Da die Fußbodenunterbauten belastet waren, wurden diese mit einem Saugbagger entfernt, um die Staubentwicklung zu minimieren.

Die nördlichen Innenräume erbrachten nur wenige, archäologische Strukturen zur neuzeitlichen Nutzung. Deutlich interessanter war der südliche, ca. 80m² große Raum. Dieser war ursprünglich durch längs und quer verlaufende Schwellbalkenfundamente in kleinere Einheiten unterteilt. Auch Zugänge in Form von Treppenstufen waren noch vorhanden.

Der Boden der nördlichsten der kleineren Raumeinheiten war mit einer dicken Schicht aus Holzabfällen und Fensterglasscherben bedeckt. Darunter hatten sich Reste eines ursprünglichen Estrichs erhalten.

Südöstlich des oben beschriebenen Raums bilden wiederverwendete Balken ein etwa 1m² großes Geviert, das mit Holzabfällen gefüllt war. Darin saß eine Froschskulptur aus Sandstein. Der durchbohrte Schlund verrät seine ursprüngliche Funktion als Brunnenfigur. In geringer Entfernung fand sich ein Vorderfuß eines zweiten Exemplars. Ebenfalls in der Verfüllung lagen unzählige tönerne Unschlittlämpchen samt Dochtresten.

Beim weiteren Bodenabtrag zeigte sich ein größeren Mauergeviert, das sich an die Stadtmauer anschloss und dessen Westseite im spitzen Winkel von etwa 14 Grad zur Stadtbefestigung verlief. Wegen seiner geringen Tiefe wird er als "Halbkeller" angesprochen. Einen Anhaltspunkt zur Auflassung bietet eine Graubündener Münze von 1724 aus dem unteren Bereich der Verfüllung. Somit dürfte die Anlage im Zuge des Neubaus in den 1730er Jahren aufgegeben worden sein.

Die "Schieflage" des Kellers ließ sich erst mit einem erweiterten Blickwinkel lösen: Die Fluchtlinien vom Halbkeller und den Schwellbalkenfundamenten beziehen sich offenbar rechtwinklig auf die vom Grünen Turm nach Westen verlaufende Stadtmauer. Eine ähnliche Orientierung haben auch das gegenüberliegende Haus und die Seitenstraße zur Grünen-Turm-Straße.

In historischen Stadtansichten aus dem 17. Jh. springt der südliche Gebäudeteil nach Osten zurück, so ergeben sich eine südliche Giebelseite mit großem Einfahrtstor und ein trapezoider, nach Süden breiter werdender Grundriss. Dieser Form und Orientierung weist auch der Halbkeller auf. Mit dem Neubau im 18. Jh. löste man sich dann von diesem "schiefwinkligen" Baukonzept.

All diese Hinweise auf die Baugeschichte der ehemaligen Bauhütte ließen sich schon wenige Zentimeter unter dem Fußboden feststellen. Dies zeigt wieder einmal, dass die Geschichte oft ganz nahe liegt.

 

Quelle: Arch. Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2021, S. 298-302.

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